Silvia Dalvai und Sepp Willeit im Gespräch.

Am 4. Oktober ist Tag des Spendens. Außerdem feiert der Hilfsfonds „KFS - Familie in Not“ sein 30-jähriges Jubiläum. Anlass genug, um mit Sepp Willeit, dem Vorsitzenden des Hilfsfonds und Silvia Dalvai, der Zuständigen im KFS-Büro zu sprechen.

FiS: Wer sind die Familien, die bei „KFS - Familie in Not“ Hilfe suchen? Mit welchen Herausforderungen haben sie zu kämpfen?

Silvia Dalvai: Familien, die bei uns Hilfe suchen, haben meist mit Schicksalsschlägen zu kämpfen, wie etwa mit der Situation, dass der Verdienst eines Elternteils aufgrund von Krankheit, Unfall oder Todesfall ausbleibt. Oft kommt noch hinzu, dass diese Familien gerade investiert oder einen Kredit aufgenommen haben. Noch schlimmer trifft es Paare, die nicht verheiratet waren und auch sonst keine Absicherung getroffen haben. Dort steht dann ein Partner plötzlich ohne finanzielle Absicherung da.
Sepp Willeit: Nicht nur, wer risikoreiche Sportarten betreibt, sondern jeder, der gemeinsam mit einem anderen Menschen etwas aufbaut und Kinder großzieht, muss Verantwortung tragen und die Familie absichern. Auch bei Trennungen und Scheidungen schlittern viele in eine Armutsfalle, aus der sie kaum aus eigener Kraft herausfinden. In diesen Fällen bietet der KFS auch eine einmalige kostenlose Rechtsberatung an, um erste wichtige Informationen einzuholen. Dann sind noch die Lebenshaltungskosten in Südtirol zu nennen. Die Mieten sind teilweise viel zu hoch. Es ist kein Wunder, wenn junge Erwachsene immer länger im Elternhaus wohnen bleiben, weil sie sich die eigene Wohnung nur schwer leisten können. Andererseits fehlt ihnen dann das Bewusstsein für die Lebenskosten, wenn sie zu Hause nichts abgeben müssen.
Dalvai: Auch für die Schule werden große Summen ausgegeben für Materialien, Ausflüge, Eintritte. Mit zwei oder drei schulpflichtigen Kindern kommen ordentliche Summen zusammen.

Wie geht es Südtirols Familien? Was brauchen sie?

Willeit: Was Familien aus meiner Sicht bräuchten, ist vor allem der Dialog und die Hellhörigkeit von Nachbarn, Verwandten, Eltern. Wer in Not gerät, braucht in vielfältiger Weise Beistand. Am Ende geht es dann aber trotzdem um das liebe Geld. Ein jeder will alles haben und oft reicht es dann nicht mehr. Man kann sich nicht vorstellen, wie viele Familien Geld leihen, um etwa in Urlaub fahren zu können. Es sind viele, die es problemlos wieder zurückzahlen können, aber auch viele, die dann auf der Strecke bleiben. 
Dalvai: Was man im Gegensatz zu früher feststellen kann, ist, dass die Familien heute viel mehr Geld brauchen. Früher wurde bescheidener und einfacher gelebt. Heute sind die Bedürfnisse der Familien oft unverhältnismäßig groß. Einerseits haben wir die niedrigen Reallöhne, andererseits den hohen gesellschaftlichen Druck, der es den Familien schwer macht, auf etwas zu verzichten. Was noch vor einigen Jahren eine Art Luxusgut war, wie etwa ein Smartphone, ist heute fast ein Muss für jedes Familienmitglied. Auch das geht ins Geld.

Welche Unterstützung kann der Familienverband leisten?

Willeit: Das Wichtigste ist die Information. Die Leute müssen sich vernünftig überlegen, ob etwas notwendig ist und ob sie es sich leisten und wie sie es sich finanzieren können. Sie müssen lernen, schon vorher eine Kalkulation zu machen und einzuschätzen, ob sie für eventuelle Notfälle gerüstet sind. Leider sehe ich oft eine gewisse Blauäugigkeit. Für viele ist es unvorstellbar, dass sie in eine finanzielle Notsituation geraten können und plötzlich tritt der Fall ein. Nach außen würde man es den meisten Familien nicht ansehen, dass sie Hilfe brauchen. Not und Armut sieht man oft nicht.

Wie erfahren Sie von Familien, die Hilfe brauchen?

Dalvai: In erster Linie durch unsere Zweigstellen, die Augen und Ohren offen halten. Wir arbeiten auch eng mit anderen Strukturen und Sozialdiensten zusammen. Es braucht viel Feingefühl, um bedürftige Familien dazu zu animieren, sich bei uns zu melden. Damit wir aktiv werden können, braucht es ein schriftliches Ansuchen und verschiedene Unterlagen. Wir versuchen auch Studierenden unter die Arme zu greifen und sie über einen längeren Zeitraum zu unterstützen, wenn die Familie keine finanziellen Ressourcen hat.

Was würden Sie sich von Südtirols Gesellschaft wünschen, damit Familien ein leichteres Auskommen haben?

Willeit: Die Löhne müssen unbedingt angepasst werden. Gute Löhne bedeuten nämlich auch Wahlfreiheit. Es darf nicht ein Privileg der Besserverdienenden sein, ihre Kinder selbst zu betreuen. Eltern sollten neben der Arbeit auch noch Zeit für sich und ihre Kinder finden und dennoch ihre Familie erhalten können. Ich bin immer der Meinung, dass nicht das Sozialsystem für die Kindererziehung zuständig ist, sondern die Eltern. Die Jahre, die man in die Kinder investiert, sind die schönsten im Leben. Außerdem wünsche ich mir, dass Familien wieder zurückfinden zu einer bescheideneren Lebensweise und sich nicht so sehr vom Konsumverhalten anderer beeinflussen lassen. Wir reden immer wieder vom Geld, aber meist vom Geld der anderen und von dem, was andere tun. Die Familien müssen über das eigene Geld reden und darüber, wie sie damit auskommen. Viele geraten unverschuldet in eine Notsituation, doch es gibt auch viele Schwierigkeiten, die man rechtzeitig hätte vermeiden können.


„KFS - Familie in Not“ wird dort aktiv, wo eine erste Überbrückungshilfe die Not lindert. Sind Sie in einer Notsituation oder kennen eine Familie, die in eine schlimme Situation geraten ist? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren: 0471 974 778

Spendenkonto:
Raiffeisenkasse Bozen
IBAN: IT71N0808111600000300010014
Der Hilfsfonds "KFS - Familie in Not" ist durch das Siegel "Sicher spenden" zertifiziert.

Text: Valeria von Miller
Aus der FiS - Familie in Südtirol Nr. 5/2018

2018 FiS Oktober