Maria Lobis ist eine vielseitige Frau: Ehefrau und Mutter von drei süßen Kindern, freiberufliche Hebamme, Referentin über verschiedene Themen, Bio-Fachberaterin und Inhaberin von Novo, dem ersten verpackungsfreien und plastikfreien Bio-Supermarkt in Südtirol.  Auch in ihrem Alltag verzichtet sie auf Plastik und stellt vieles für den täglichen Gebrauch selbst her. Wie jeder Einzelne von uns an der Schaffung einer nachhaltigen Welt mitwirken kann, darüber haben wir mit Frau Lobis gesprochen.

 

Liebe Frau Lobis, in Ihrem Haushalt verzichten sie weitestgehend auf Plastikverpackungen und Müll. Wie kam es dazu?

Schon seit einiger Zeit hat mich der anfallende Müll in meinem Haushalt gestört. Zudem ist mir aufgefallen, dass die einzelnen Produkte immer mehr verpackt werden. Vor ca. vier Jahren, ich war gerade mit meinem Mann und den Kindern in einem Supermarkt, ist mir bewusst geworden, dass es so nicht weitergehen kann. Ab diesem Moment habe ich beschlossen, keinen „schnellen“ Plastikmüll mehr zuzulassen, z.B. vermeiden wir seither Plastikflaschen. Auch habe ich begonnen, in Etappen zu den einzelnen Fachhändlern zu gehen (also zum Bäcker, Gemüsehändler, Metzger oder in Geschäfte mit offenen Produkten), um fortan beim Einkaufen unnötigen Verpackungsmüll zu vermeiden. Ebenso habe ich den Haushalt umgestellt: Ich kaufe keine Küchenrollen und Papierservietten mehr, verwende Stoff- anstelle von Wegwerfwindeln.

 

Wie hat Ihre Familie darauf reagiert?
Mein Mann war mit mir sofort einer Meinung, weil auch er verstanden hat, dass wir anders leben müssen, damit unsere Kinder eine bessere Chance auf ein gutes Leben auf dieser Welt haben. Selbst unsere Kinder haben unser Anliegen positiv aufgenommen – wahrscheinlich spürten sie, dass es wichtig für uns und für sie ist. Es sind die Kinder, die am schnellsten „umschalten“ und jene Lebensweise annehmen, die wir zukünftig brauchen.

Natürlich war es auch für uns zu Beginn nicht immer einfach – ich denke dabei an das Verwenden wieder des klassischen Taschentuchs oder an den Verzicht z.B. spezieller Tofu-Produkte, bestimmter Schokolade oder Reiscracker, auf die wir schwer verzichten wollten.

 

Was entgegnen Sie Ihren Kindern, wenn es diese z.B. nach dreifach verpackten Süßigkeiten gelüstet oder sie mal bei McDonald’s essen möchten?
Mittlerweile haben wir uns daran gewöhnt, das Plastik-Sparen an die oberste Stelle zu setzen. Die Kinder sind meistens verständnisvoll, wenn ich ihnen erkläre, dass wir bestimmte Produkte wegen des Plastiks nicht kaufen. Fast-Food-Ketten wie McDonald’s sind sowieso nicht unser Ding. Schwieriger wird es bei Spielen, die aus Plastik bestehen, wie z.B. Lego-Steine, oder bei zwar nachhaltigen Spielen, die jedoch in Plastik verpackt sind. Auch bei Luftballons, die oft auf Events angeboten werden, ist es nicht immer einfach. Ich frage mich dann jedes Mal: Muss das wirklich sein?

 

Müll vermeiden heißt, die Lebensgewohnheiten zu verändern. Schon daran scheitern bei den allermeisten die guten Vorsätze. Welches sind die ersten Schritte?
Vorsätze sind nie gut, denn sie verursachen Druck, dabei sollte eine weniger verschwenderische Lebensweise von Dauer sein und Freude bereiten. Wir brauche die richtige mentale Einstellung, denn sobald wir wieder ein Mitgefühl für die Mutter Erde und für unsere Mitmenschen entwickeln, stellt sich eine umweltschonende Lebensweise wie von selbst ein.

Die ersten Schritte, die jeder von uns machen kann, sind meines Erachtens der Nichtkauf von Getränken in Plastikflaschen, das Verwenden der guten alten Stofftasche beim Einkauf sowie das Vermeiden der üblichen „Plastik-Fallen“ wie Trinkhalme, Essen to go oder unnütze Verpackungen.

 

Südtirol ist ein schönes Land, die Umwelt noch relativ intakt. Wieso sollten wir unsere Lebensweise ändern, schließlich werden wir die Welt alleine nicht retten können, fragen sich in unserem Land viele. Was antworten Sie auf diese Argumente?
Stimmt, 7 Milliarden Menschen behaupten immer dasselbe: „Alleine kann ich doch eh nichts tun.“ Aber wie, bitteschön, soll Veränderung passieren, wenn wir nicht bei uns selbst beginnen? Ja, in Südtirol haben wir eine noch relativ intakte Natur. Deshalb wünsche ich mir, dass unser Land weiterhin so schön bleibt und wir nicht erst bis zum Hals im Dreck stecken müssen, um dies zu erkennen. Allerdings gibt mir Folgendes zu denken: Der Mensch wird auch Homo sapiens genannt – dieser Begriff kommt aus dem Lateinischen und steht für weise, gescheit, vernünftig. Trotzdem wird der Mensch in die Weltgeschichte zwar als intelligent und erschaffend eingehen, aber auch als einziges Lebewesen, das es schafft, einen ganzen Planeten und am Ende sich selbst zu zerstören.

 

Ob in der Obst- und Gemüseabteilung des Supermarkts, an der Kühltheke oder im Regal, überall Plastikberge. Wie versorgen Sie sich mit Lebensmitteln?
Leider sind die Supermärkte voll von Plastik, aber zum Glück gibt es Auswege: den Fachhandel, der mittlerweile recht flexibel geworden ist und oft sogar mitgebrachte Behälter dankend annimmt. Der Kunde muss sich bewusst sein, dass er durch sein Kaufverhalten bestimmen kann, was zukünftig in die Regale kommt.

Aus dieser Erkenntnis ist unsere Idee des verpackungsfreien Supermarkts in Südtirol entstanden, die wir vor zweieinhalb Jahren mit der Eröffnung unseres Geschäfts „Novo“ in Bozen in die Realität umsetzen konnten. Unser Angebot wird dankend angenommen, so dass es bald auch in Brixen ein zweites „Novo“-Geschäft geben wird. Vielleicht schaffen wir es gar, noch weitere Franchise-Läden, im ganzen Land verteilt, aufzubauen – geführt von engagierten Leuten, die von uns das Konzept bekommen, ansonsten aber autonom arbeiten können.

 

Wie kann man sich den Einkauf in Ihrem verpackungsfreien und plastikfreien Bio-Supermarkt Südtirols vorstellen?
Zu Beginn mag es gewöhnungsbedürftig sein, mit eigenen Behältern und Taschen ins Geschäft zu gehen, um die benötigten Waren – von Müslis, Nüssen, Samen, Zucker, Honig, Tee, Kaffee über Trockenwaren wie Getreide, Hülsenfrüchte, Nudeln, Trockenfrüchte, Backwaren bis hin zu Süßwaren und Snacks – einzukaufen. Aber bereits beim zweiten Besuch findet man es völlig normal, dass selbst mitgebrachte leere Putzmittelflaschen an eigenen Abfüllstationen wieder aufgefüllt werden. Außerdem gibt es bei uns Rohstoffe für die Selbstherstellung und in der Hygieneabteilung Stückseifen sowie Windeln, Ohrstäbchen und Damenbinden aus Stoff, Bambus oder kompostierbarem Material. Natürlich ist es ein größerer Aufwand, zuerst die leeren Behältnisse zur Waage zu bringen, anschließend zu befüllen und anschließend nochmal abzuwiegen. Aber so wird das Einkaufen zum Erlebnis, wirkt unser Geschäft wie eine Ruheoase in unserer viel zu schnelllebigen Zeit.

 

Viele Familien kommen in der heutigen Zeit finanziell oft schwer über die Runden. Bio-Lebensmittel und regionale Produkte sind in der Regel teurer. Können Sie die Argumentation, das kann ich mir nicht leisten, verstehen und welche Tipps können Sie geben?
80 % der Einkäufe sind Spontaneinkäufe. Wenn man sich im Vorfeld Gedanken machen würde, was man wirklich braucht, würde relativ wenig übrig bleiben – und dieses Wenige könnte ich in gute reine Qualität investieren. Der verpackungsfreie Einkauf gibt mir die Gelegenheit, nur das zu kaufen, was ich wirklich brauche, und das in einer Menge, die ich brauche. Es macht uns also unabhängiger gegenüber den Marketingstrategien und erzieht uns hin zum Minimalismus.

In unserem Laden gibt es bei größeren Mengen Rabatt und donnerstags den Zero-Waste-Tag: auf alle Produkte, die der Kunde in seine eigenen Behälter füllt, gibt es 10 % Rabatt.

 

Viele Dinge des täglichen Gebrauchs stellen Sie selbst her, wie z.B. Zahnpasta, Spül- und Putzmittel. Ist das nicht ein enormer Aufwand?
Enorm würde ich nicht sagen. Auch ich habe nur eine begrenzte Zeit zur Verfügung – um diese sinnvoll zu nutzen, entscheide ich tagtäglich, was für mich Priorität hat. Im Haushalt mache ich nur das Nötigste, habe zum Glück eine Putzhilfe und muss nicht bügeln. Dafür koche ich frisch und vollwertig und stelle  Naturkosmetik und Waschmittel selbst her. Wenn jemandem etwas wichtig ist, wie mir das nachhaltige Leben, wird man dafür die nötige Zeit finden, andernfalls ist nie der richtige Zeitpunkt.

 

Außer auf Müll zu verzichten, wie kann ich sonst noch die Umwelt nachhaltig verbessern?
Man muss die Aufmerksamkeit auf die kleinen Dinge lenken: Zero Waste heißt, nicht nur auf Müll zu verzichten, sondern auch weniger verschwenderisch zu leben. Wir haben als fünfköpfige Familie beschlossen, nur mehr ein Auto zu besitzen, und fahren, so oft es geht, mit dem Bus oder der Bahn. Wir fliegen nicht in den Urlaub und essen zu Hause kein Fleisch – und wenn einmal doch, dann aus nachhaltiger Zucht. Dasselbe gilt für Eier und generell für Tierprodukte. Wir schalten Lichter aus, wenn wir Räume verlassen, und haben keinen Fernseher mehr. Stehe ich an einer Ampel, stelle ich den Motor ab, und unsere Familienausflüge unternehmen wir meist in der näheren Umgebung, um lange Fahrten zu vermeiden.

 

Sie halten regelmäßig Vorträge. Welche Ratschläge geben Sie den Zuhörern mit auf den Weg?
Ich denke, es reicht, der umgebenden Welt gegenüber das Herz zu öffnen – dann erkennt man von selbst die eigenen Möglichkeiten zur Veränderung. Getreu nach Mahatma Gandhis Spruch: „Sei die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt.“

 

Interview von Reinhold Vigl